Verletzlichkeit

„Neues entsteht,
wenn man Bekanntes
neu kombiniert.“   

Systemische Resilienz, Teil 4: Resilienz einüben

Wie kann man Resilienz einüben?

Wer ist welchem Szenario gegenüber wie resilient?

Absolute Resilienz gibt es nicht. Vollständig unempfindlich gegen alles zu sein ist eine fantastische Eigenschaft. Sie mag auf Superhelden und Comicfiguren zutreffen, also auf Fantasie-Gebilde, aber in der Realität die wir zu meistern haben, gibts es nur „relative Resilienz“. Also: etwas oder jemand kann mehr oder weniger widerstandsfähig gegenüber dieser oder jener Entwicklung sein.

Die Fragen, die man bei der Suche nach Resilienz also stellen muss, sind folgende:

…wer?
…gegenüber welchem Szenario?
…wie stark verletzlich oder widerstandsfähig?
…welche Wege zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit?

Die Frage nach „Wer?“ ließe sich beispielsweise beantworten mit:

ich
meine Familie
meine Firma/Organisation
meine Stadt
mein Land
mein Computer
das Finanzsystem
...

Diese und viele weitere Systeme kann man auf ihre Widerstandsfähigkeit hin testen. Ohne zu wissen, welches System man testet, kann man keine Aussage über „Resilienz“ machen. Nennen wir dieses „Wer?“ das „Untersuchungssubjekt“.

Um die die Frage nach Widerstandsfähigkeit zu beantworten bedarf es außerdem eines Szenarios, das eintritt. Szenarien beziehen sich dann immer auf das Untersuchungssubjekt. So stellt man fest, dass manche Szenarien auf viele Untersuchungssubjekte gar nicht passen. Das Szenario „ein Glas Wasser drüberschütten“ ist für die Familie, die Stadt oder das Finanzsystem offensichtlich unproblematisch oder sogar unmöglich. Für „mich“ und für „meinen Computer“ kann dieses Szenario aber durchaus problematisch sein: Wenn ich ein anfälliges Immunsystem habe und mich schnell erkälte, kann das Szenario eines über meinem Körper verschütteten Glases Wassers durchaus als Prüf-Szenario herhalten. Extrem verletzlich gegenüber diesem Szenario sind Menschen, die eine Allergie auf Wasser haben. Die meisten Computer sind gegenüber einem verschütteten Glas Wasser ebenso höchst verletzlich, weil Wasser in sie eindringt und die Elektronik kurzfristig durch Kurzschlüsse und langfristig durch Rost zerstören kann. Die meisten Computer sind also wenig resilient gegenüber Szenarien, bei denen sie mit Wasser in Kontakt kommen.

Wer die Verletzlichkeit seiner Firma oder Organisation testen will, muss sich also fragen:

Welche Szenarien sind vorstellbar, die meine Organisation angreifen könnten?

In der Corona-Pandemie lernen viele Unternehmen schmerzhaft, dass sie gegenüber einer Kontaktsperre hochverletzlich sind. Gastronomiebetriebe und Friseure, aber auch Verkehrsunternehmen und Schulen gehören zu „Hochrisikounternehmen“ für das Szenario einer Kontaktsperre. Dabei spielt es für die Unternehmen keine Rolle, ob diese Kontaktsperre politisch vorgegeben, oder von den Menschen freiwillig vorgenommen wird: wer Kontakte zu anderen Menschen meidet wird sich nicht in gefüllte Restaurants oder Busse setzen, nicht andere Menschen an seine Haare lassen und auch keinen Präsenzunterricht nutzen.

Da diese Unternehmen aber zugleich verletzlich dafür sind, dass ihnen die Umsätze ausgehen, suchen sie nach Wegen, die Kontaktsperre zu umgehen oder mit ihr umzugehen. Restaurants bieten To-Go-Menüs an oder verlagern ihr Restaurantgeschehen nach draußen, gepaart mit großem Abstand zwischen den Tischen. Man arbeitet mit Masken und testet seine Mitarbeiter, oder unterbindet den Fahrkartenverkauf durch den Busfahrer. Die derzeitigen Versuche von Politik und Unternehmen, Regeln zu entwickeln die einen Unternehmensbetrieb trotz potenzieller Ansteckungsgefahr zu ermöglichen ist der Versuch, die eigene Verletzlichkeit durch eine Epidemie zu verringern. Da die Verletzlichkeit nicht rein biologisch ist (durch die Ansteckung von Mitarbeitern oder Kunden mit einer Krankheit), sondern auch betriebswirtschaftlich (durch den Verlust von Umsatz droht Insolvenz), wird nach Handlungsmustern gesucht, mit denen sich die Gefahr von Ansteckung mit der Gefahr von Insolvenz ausbalancieren läßt. Im Vorteil sind dabei jene Organisationen, die zu möglichst kreativen Lösungen kommen. Hier zeigt sich, dass Kreativität, Anpassungsfähigkeit und Flexibilität die größte „Waffe“ gegen Szenarien aller Art ist: Wer eine Vielfalt von Lösungsoptionen entwickelt und umsetzt, hat mehr Chancen auf Überleben.

Szenarioanalyse/Szenariotechnik

Mit Szenarien wird im Management bereits seit längerem gearbeitet. Die Grundidee ist, Annahmen über die Zukunft zu machen und die sich daraus ergebenden Entwicklungen auf die eigene Organisation anzuwenden. (Szenarioanalyse/Szenariotechnik) Also beispielsweise: Welche Zukunfts-Szenarien ergeben sich aus der Möglichkeit

  • …dass alle Menschen bei der Geburt künftig einen Identifikations-Chip unter die Haut implantiert bekommen.
  • …dass der Meeresspiegel bis 2070 um 1 Meter steigt.
  • …dass ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt wird.
  • …dass in 2 Monaten ein Impfstoff oder in 5 Jahren kein Impfstoff gegen Corona entwickelt wird.
  • … und so weiter…

Wie diese kleine Liste zeigt gibt es unendlich viele mögliche Szenarien, wie die Zukunft sich gestaltet, und jedes Einzel-Szenario hat enorm viele direkte und indirekte Wirkungen auf die eigene Organisation. Die Möglichkeiten sind unüberschaubar, und es bieten sich sowohl Zukunftschancen wie auch Risiken für die einzelne Organisation. Das Denken in Szenarien ermöglicht immerhin, eine kleine Vorausschau auf die zukünftige Welt zu bekommen, in der man sich bewegt.

Wenn man allerdings von der bestehenden Situation in einer Organisation/Unternehmen ausgeht, so mögen diese großen Zukunftsmöglichkeiten zu groß sein, um damit gut arbeiten zu können. Wenn es um die Frage nach der Widerstandsfähigkeit und der Verletzlichkeit einer Organisation geht, kann man das Szenario mit einem Trick viel präziser zuspitzen.

Verletzlichkeit prüfen: Ein Element herausnehmen

Die Idee ist:

Nehmen Sie ein einzelnes Element aus dem System, das in Ihrem Unternehmen/in Ihrer Organisation eine Rolle spielt, und prüfen Sie, welche Wirkungen dieses Herausnehmen auf diese Organisation hat.

Ein solches Element kann eine Mitarbeiterin sein, die das Unternehmen (plötzlich) verläßt. Es kann auch eine politische Entscheidung sein, durch die ein Produkt, das das Unternehmen anbietet, nicht mehr verkauft werden darf. Oder es ist ein Partner, auf den man sich verläßt, der plötzlich pleite geht.

Dieser Ansatz spielt also mit der Idee, sich eine einzelne Hürde vorzunehmen: indem etwas verschwindet, was grade noch vorhanden war, und mit dem man (ganz selbstverständlich) gearbeitet hat. In der Corona-Pandemie ist es der direkte körperliche Kontakt, der schwierig bis unmöglich ist – der also aus dem System verschwunden ist. Wer die Verletzlichkeit seiner Organisation auf verschiedene Szenarien prüfen will, der stelle sich vor, eines folgender Elemente wäre nicht mehr möglich, und dennoch müsste das Unternehmen sich um Funktionsfähigkeit bemühen:

  • alle sind Banken geschlossen (Szenario: Finanzkrise)
  • der Strom ist weg (Szenario: Black Out)
  • die Tankstellen liefern kein Benzin mehr (Szenario: Peak Oil)

Für die einzelne Organisation mögen ganz andere Aspekte wichtig oder wahrscheinlicher sein, dass sie eintreten. Daher müßte jede Organisation sich selbst fragen: Was sind bei uns die kritischen Elemente, deren Verschwinden uns in Schwierigkeiten bringen würde? Und dann genau deren Verschwinden einmal durchzuspielen.

Ich möchte drei Romane empfehlen, die genau mit solchen Szenarien spielen. Alle drei Bücher haben eines gemeinsam: sie lassen ein als selbstverständlich geltendes Element verschwinden und spielen das Szenario breit durch. Die Fantasie der Autoren macht dabei sichtbar, welche Nebenwirkungen das Verschwinden eines Elements in unserer komplexen Zivilisation haben kann. Menschen, die in ihrem Unternehmen solche Szenarien durchspielen wollen, können anhand der Bücher ihre Fantasie schulen:

  • Marc Elsberg: Black Out. Fehlendes Element: Strom. Das Buch spielt mit dem Szenario eines wochenlangen europäischen Stromausfalls, und basiert streng auf wissenschaftlichen Fakten. Als Roman geschrieben ist es hochspannend, aber nichts für schwache Nerven.
  • Andreas Eschbach: Ausgebrannt. Fehlendes Element: Öl. Das Buch diskutiert das Verteuern und Ausbleiben von Mineralöl als Treibstoff und Rohstoff und die sich daraus ergebenden Szenarien.
  • Neal und Jarrod Shusterman: Dry. Fehlendes Element: Wasser. Das Buch spielt das Szenario einer Wasserknappheit in Südkalifornien durch.

(Bitte kaufen Sie bei Interesse die Bücher bei einem lokalen Buchhändler und unterstützen Sie so die Widerstandsfähigkeit ihrer örtlichen Versorgungsstruktur!)

Die Reduktion der Szenarien auf ein einzelnes entferntes Element ist nicht realitätsfern. Wie die Corona-Pandemie zeigt ergibt sich die Komplexität der Situation aus den Wechselwirkungen rund um dieses einzelne fehlende Element. Der fehlende physische Kontakt zwischen Menschen führt in der Corona-Pandemie zu komplexen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Wirkungen, die alle auf jede einzelne Organisation zurückwirken. Natürlich wird die reale Situation keineswegs einfacher, wenn man statt nur eines mehrere Elemente eliminiert, doch zum „Heranüben“ an Resilienz-Fragen ist es ausreichend, mit der Herausnahme eines einzelnen Elements zu beginnen.

Resilienz üben: Übungen mit Mitarbeitern und Partnern

Auf Organisationen/Unternehmen übertragen bedeutet dies:

Setzen Sie eine Übung an, die damit spielt, dass ein Element, welches normalerweise selbstverständlich vorhanden ist, nicht mehr verfügbar ist. Dieses Element muss keineswegs aus obiger Liste stammen, es kann sich ganz spezifisch auf Ihre Organisation beziehen. Lassen Sie die Mitarbeiter dann das Szenario durchspielen unter der Aufgabenstellung: „Angenommen, … ist nicht mehr verfügbar, wie gehen wir damit um?“

  • Welche Reaktionen zeigen die Mitarbeiter*innen?
  • Welche direkten und indirekten Auswirkungen sieht das Team für dieses Szenario auf sich selbst, den eigenen Arbeitsbereich und die Gesamtorganisation zukommen?
  • Wie organisiert sich die Mitarbeiterschaft um, um die üblichen Unternehmens-Ergebnisse trotz des Fehlens des einen Elements zu erreichen? Entstehen neue Rollen? Entwickeln sich neue Führungsfiguren?
  • Welche kreativen Ideen entstehen, um mit der neuen Situation umzugehen? („Workarounds“)
  • Ergeben sich daraus Empfehlungen für das Alltagsgeschäft, die sich implementieren lassen?

Man kann dieses Szenario als Planspiel „am Tisch“ durchspielen, oder man versucht tatsächlich „Workarounds“ zu erarbeiten und zu implementieren. Für das Team ist allein das Durchdenken des Szenarios bereits wertvoll, weil das menschliche Gehirn dann bereits das Szenario „zumindest gedanklich durchgespielt” hat und bei einem tatsächlichen Eintritt des Szenarios Ideen wieder aufgerufen werden können. Wenn jedoch auch noch echte Umgehungswege tatsächlich ausprobiert werden, können sogar neue Wege der Unternehmensorganisation entstehen, oder neue Dienstleistungen/Produkte.

Unternehmen machen gern „Teambuilding-Maßnahmen“, bei denen auf Bäume geklettert oder gemeinsam Sport gemacht wird. Auch eine Resilienz-Übung kann teambildend sein! Auch wenn sich solche Übungen um Bedrohungs-Szenarien drehen, heißt das nicht, dass das Ergebnis nur als bedrohlich empfunden wird. Wenn die Mitarbeiter*innen spüren, dass im Extremfall alle an Lösungen arbeiten, setzt dies gemeinschaftliche Energien frei. Wenn allerdings sich die Mitarbeitenden vom Szenario tatsächlich nur bedroht fühlen, ohne dass sie Handlungs- und Auswege finden, dann wird deutlich: Ihr Unternehmen hätte in diesem Szenario ein grundlegendes Problem! Im positiven Fall wird jedoch die Kreativität und das Gemeinschaftspotenzial sichtbar, dass in Ihrem Team schlummert.

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Systemische Resilienz in Zeiten der Corona-Pandemie, Teil 2

Resilienz und Systeme

Resilienz bedeutet „Widerstandsfähigkeit“. Der Begriff stammt aus der Ökosystemtheorie, wird aber inzwischen in verschiedenen Fachbereichen benutzt. Beispielsweise in der Psychologie. Diese „fachliche Weitläufigkeit“ des Begriffs zeigt, dass die von ihm adressierte Frage in verschiedenen Fachbereichen auftaucht:

  • Wie widerstandsfähig ist ein Mensch?
  • Wie widerstandsfähig ist ein Unternehmen?
  • Wie verletztlich bzw. widerstandsfähig ist eine Kommune oder gar ein ganzes Land?

Auch läßt sich diese Frage auf Systeme anwenden, die als Querschnitt zwischen anderen Systemen liegen, oder als unterstützende, versorgende, transportierende Infrastruktursysteme fungieren:

  • Stromversorgungssystem
  • Mobilitätssystem
  • Finanzsystem
  • Gesundheitssystem
  • Bildungssystem

Verletzliche Systeme: Kollaps des Gesundheitssystems?

In der aktuellen Corona-Pandemie ist oft von einem möglichen „Kollaps des Gesundheitssystems“ die Rede. Unter „Kollaps“ ist dabei vermutlich gemeint, dass die Funktionsweise des Systems so stark beschädigt ist, dass es seine Systemdienstleistung nicht mehr (gut genug) erbringen kann. Natürlich brechen keine Mauern von Krankenhäuser zusammen, weil die Menschen darin einen Viruseffekt haben, aber die Funktion von Krankenhäusern kann beschädigt werden, wenn das Personal überlastet ist oder wenn weniger Beatmungsgeräte vorhanden sind als Patienten, die solche Geräte brauchen. Dann verliert das Krankenhaus seine Funktion, für die es gedacht ist und gebraucht wird. Passiert das in vielen Krankenhäusern gleichzeitig, kann man sehen, dass das gesamte Gesundheitssystem seine Funktionsfähigkeit verliert.

Krankenhäuser sind zentrale Bausteine des Gesundheitssystems. Sie sind aber auch selbst Systeme: Sub-Systeme des Gesundheitssystems. Systemausfälle können also andere Systeme in Mitleidenschaft ziehen: wenn viele Krankenhäuser ihre Funktionalität verlieren, verliert das Gesundheitssystem, dessen Teil sie sind, seine Funktionalität.

Resilienz von Systemen

Um strukturiert ein Bild von Verletzlichkeit und Widerstandsfähigkeit zu bekommen, lohnt es sich also sich anzuschauen, welche Systeme es gibt und worin deren Funktionalität besteht. Gesellschaftliche Systeme setzen sich dabei aus „Bausteinen“ zusammen. Folgende Tabelle zeigt solche Bausteine, wobei man sagen kann, dass größere Systeme sich aus kleineren Systemen zusammensetzen, während Systeme die Funktionalität anderer Systeme nutzen, als auch eigene Funktionalität für andere Systeme bereitstellen.

Ebene Wer? Beispiele! Maßstab, anhand dem die Funktionsfähigkeit ablesbar ist
Individuelle Ebene Ein Mensch: Sie! Ich. Die Nachbarin. Klaus. gesund?/gesunderhaltend?
Familienebene Familie Müller, Familie Djawid versorgt?/versorgend?
Organisationsebene Unternehmen, Vereine, Verwaltungen, … lieferfähig, arbeitsfähig?/belieferbar?
Kommune Wuppertal, Bergamo, New York, Madrid daseinsversorgend?
Regionenebene Kommunen + Umland: Sachsen, Ruhrgebiet, Region Hannover versorgungsunterstützend?
Nationale Ebene
BRD, USA, VR China, Republik Italien
regierend, steuernd?

Der Mensch, ein psychisches System

Die Systemtheorie und von ihr inspirierte Fachbereiche wie die Psychologie erlauben sich, auch einen einzelnen Menschen als System zu betrachten. Das Bewusstsein eines Menschen läßt sich als „psychisches System“ beschreiben. Wie für Systeme üblich kommuniziert der Mensch, hat eine gewisse Funktionalität und einen gewissen System-Zustand, der sich ändern kann. In der Corona-Pandemie geht es darum die vielen Individuen möglichst gesund zu halten. Sie sind verletzlich gegenüber Viren, die ihren Körper angreifen und beschädigen können, bis hin zum Tod. Diese Verletzlichkeit wird als Stärke des Corona-Virus sichtbar: es kann Menschen krank machen und töten.

Allerdings haben auch die Reaktionen der politischen Entscheider Auswirkungen auf uns Menschen: Die Isolation, in der wir uns halten sollen, drückt aufs Gemüt, und auch sich einstellende Ängste haben Auswirkungen auf die (psychische) Gesundheit eines Menschen. Und nun stellt sich die Frage:

  • Wie widerstandsfähig ist der/die Einzelne gegenüber dem Virus und den gesellschaftlichen Wirkungen?

Und in der Tat wird hierfür auch in der Psychologie der Begriff der Resilienz benutzt, um zu beschreiben, wie verletzlich oder widerstandsfähig ein Mensch ist.

Woran kann man letztlich aber ableiten, wie verletztlich oder resilient ein Mensch gegenüber der „Corona-Situation“ ist? In obiger Tabelle schlage ich vor, dass man die letztlich an der „Funktionsfähigkeit“ ablesen kann, ob ein Mensch seiner „Rolle“ im Gesamtsystem nachkommt. Bei einem Menschen stellt sich also die Frage:

  • Ist er/sie gesund?

Und dazu kann man die Frage stellen:

  • Ist er/sie in der Lage, andere gesund zu erhalten?

Beide Fragen zusammen beleuchten also den Zustand eines Menschen: wie geht es ihm? Ist er in der Lage, etwas für andere zu tun?

Die Familie als Versorgungs-System

In der Corona-Isolation sind wir oftmals stark auf unsere Familienebene zurückgeworfen. Die Familie als Verbund einzelner Menschen hat familienspezifische Aufgaben. Insbesondere soll sie die einzelnen Familienmitglieder versorgen: Mit Essen, Wärme, Nähe, Zuwendung.

Verliert eine Familie diese Funktion, ist ihre Widerstandsfähigkeit offenbar gebrochen. Sie ist ihrer Verletzlichkeit erlegen. Sie kann ihre Funktion nicht mehr (adäquat) erfüllen.

Natürlich ist die Funktionsfähigkeit eines Familien-Systems abhängig davon, wie es den einzelnen Familienmitgliedern geht. Geht es Müttern und Vätern gut, können sie dazu beitragen, dass es auch anderen in der Familie gut gehen. Sind sie allerdings Opfer ihrer Verletzlichkeit geworden, senkt das auch die Widerstandsfähigkeit der Familie. Die Resilienz von Systemen ist also abhängig von der Resilienz ihrer Sub-Systeme, wie auch von der Resilienz ihrer Umgebungssysteme.

Verletzlichkeit und Resilienz analysieren

Auf ähnliche Weise kann man sich fragen:

  • Wie verletzlich ist eine Organisation gegenüber einer Pandemie?
  • Wann verliert sie ihre Funktionsfähigkeit?

Um Verletzlichkeit zu vermeiden und Widerstandsfähigkeit aufzubauen könnten sich Organisationen fragen:

  • Welchen Risiken gegenüber sind wir (besonders) verletzlich?
  • Von welchen anderen Systemen hängt unsere Funktionsfähigkeit ab?
  • Welchen Beitrag können wir leisten, um unsere Sub-Systeme (insbesondere die MitarbeiterInnen) widerstandsfähiger zu machen?
  • Mit welchem Beitrag können wir jene Systeme ertüchtigen, auf deren Funktionsfähigkeit wir angewiesen sind?
  • Welche Systeme wären gefährdet, wenn wir unsere Funktionsfähigkeit verlieren? Haben wir eine Verantwortung für jene Systeme, die auf uns angewiesen sind? Und wenn ja, wie können wir diese Verantwortung aktiv übernehmen?

Man kann in obiger Tabelle nun weitere Ebenen mit ähnlichen Fragen konfrontieren und auch die Kommunen, die regionalen Verbünde, die Nationen sowie die planetaren Strukturen einer entsprechenden Analyse unterziehen. Für den Einzelnen, beispielsweise für Sie liebe Leserin/lieber Leser, ist eine wichtige Frage aber:

  • In welchen Systemen habe ich (relevanten) Einfluss? Welche Systeme sind für meine eigene Funktionalität bedeutend und wie kann ich diese resilienter machen?
  • Wie vermeide ich eigene Verletzlichkeit und mache ich mich selbst resilienter?

Weiterlesen: Teil 3: Systemische Resilienz: Resilienz und Regionalentwicklung

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