Systemische Resilienz in Zeiten der Corona-Pandemie, Teil 1
„Corona“ testet unsere Systeme
Resilienz bedeutet „Widerstandsfähigkeit“. Der Begriff stammt aus der Ökosystemtheorie. Widerstandsfähigkeit steht als Gegenbegriff zu „Verletzlichkeit“. Systeme können verletzlicher oder widerstandsfähiger sein.
Was wir in Zeiten der Corona-Krise erleben ist ein Test der zivilisatorischen Systeme. Die Corona-Pandemie und die politischen Entscheidungen stressen und strapazieren zahlreiche Systeme. Die aktuellen Entwicklungen „testen“ also, wie resilient unsere Gesellschaft und ihre Sub-Systeme gegenüber einer globalen Pandemie ist. Den Zeitungen und Nachrichten können wir derzeit im Tagestakt neue Entwicklungen, Entscheidungen und Empfehlungen entnehmen. Ich möchte hier jedoch einen etwas distanzierteren Blick auf die Corona-Pandemie einnehmen und mir anschauen, was wir daraus über die Resilienz von Systemen lernen können.
Resilienz und die Transition Towns
Mir persönlich ist die Idee von Resilienz nicht neu. Der Begriff lief mir spätestens mit dem Aufkommen der „Transition Town“-Idee über den Weg. Im deutschsprachigen Raum verankerte sich die Idee der „Transition Towns“, der „Städte im Übergang“ mit dem Buch „Energiewende – das Handbuch“ von Rob Hopkins. Es erschien 2008 im Zweitausendeins-Verlag und trug den Untertitel „Anleitung für zukunftsfähige Lebensweisen“. Hopkins diskutiert in dem Buch eine Transformation unserer Strukturen und unserer Lebensweise vor dem Hintergrund von Ölknappheit und Klimawandel. Er empfiehlt in diesem Buch, die Städte und Dörfer als zentrale Handlungsebene zu betrachten: statt zu versuchen, global auf den Klimawandel einzuwirken solle der Einzelne sich lieber um sein Dorf bzw. seine Stadt kümmern, denn dort könne er wirksam sein, weil er/sie dort tatsächlich Einfluss habe. Und Hopkins diskutierte das Konzept der „Resilienz“, indem er sagte: Es lohnt, bei der Transformation der Städte und Gemeinden nicht nur auf eine Verminderung des CO2-Ausstoßes zu achten oder auf einen Aufbau eines Energiesystems auf Basis erneuerbarer Energiequellen, sondern auch, unsere Kommunen auf mögliche Nebenwirkungen vorzubereiten. Unsere Städte und Dörfer sollen auch weiter funktionieren, wenn sie mit Schocks oder Krisen konfrontiert sind. Wenn unsere Wohnorte „krisenfester“ sind, bleiben wir in ihnen handlungsfähig. Die Idee der Krisenfestigkeit, der Widerstandsfähigkeit, der Resilienz hat Hopkins also zuerst auf die Kommune bezogen, und sie aus den Risiken von Klimawandel und Energieversorgung abgeleitet.
Ich fand beide Überlegungen sehr wertvoll:
- die Idee, „Widerstandsfähigkeit“ als Maßstab für die Gesundheit einer Kommune anzulegen,
- als auch die Idee, mir die Kommune als Handlungsebene zu suchen, weil ich (und die meisten anderen Menschen) dort mehr Einfluss haben als in fremden Städten oder auf globaler Ebene.
Die Idee einer Pandemie diskutiert Rob Hopkins in diesem Buch nicht. Wie gesagt interessierte ihn und die damals entstehende „Transition Town“-Community zuerst die Risiken aus Energieversorgung und Klimawandel. Diese beiden Risiken sind auch heute noch höchst relevant, aber das Tagesgeschehen wird aktuell dominiert von der Corona-Pandemie und den nationalen Reaktionen darauf.
Krisenszenarien und Resilienz
Resilienz beschreibt also die Fähigkeit eines Systems, gegenüber (externen) Schocks und Krisen widerstandsfähig und handlungsfähig zu bleiben. Dabei können die Schocks vielfältiger Art sein:
- Pandemien, siehe: Corona
- Wirtschaftskrise, siehe: wirtschaftliche Auswirkungen auf die politischen Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie
- Finanzkrise
- Energieversorgungskrise, Stromausfall
- Klimawandel, Extremwetter
- politische Krisen
- …
Die Liste zeigt: es gibt vielfältige Krisenszenarien, gegen die unsere Systeme widerstandsfähig sein sollten. Die Corona-Krise erlaubt es uns, live und in Farbe zu beobachten, wie widerstandsfähig Einzelsysteme gegenüber einer Gesundheitskrise (und deren Nachwirkungen) sind. Systeme können gegenüber dem einen Krisenszenario unglaublich widerstandsfähig sein, aber gegenüber einem anderen höchst verletzlich. Ich möchte versuchen, mit der „Resilienz-Brille“ auf die verschiedenen Systeme zu schauen. So können wir aus der aktuellen Corona-Krise bestenfalls lernen, wie wir unsere Systeme auch gegenüber anderen Krisen widerstandsfähiger gestalten können.
Weiterlesen: Systemische Resilienz in Zeiten der Corona-Pandemie, Teil 2
Nice